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Meine Familie akzeptiert ihn nicht

Ich habe meinen Freund vorletztes Jahr kennengelernt und seit 3 Monaten sind wir offiziell in einer Beziehung. Wir sind einfach füreinander geschaffen. Ich bin mit ihm so glücklich wie noch nie und es gibt kaum Themen, über die wir streiten. Jetzt ist jedoch ein Problem hinzugekommen: Meine Eltern haben etwas gegen ihn. Ich kann es einfach nicht verstehen. Er ist immer nett zu ihnen gewesen, hat einen guten Job und sonst auch alles, was sich meine Eltern wünschen würden. Außerdem ist doch das Wichtigste, dass wir in der Beziehung miteinander glücklich sind! Dass meine Familie nicht hinter mir steht, macht mich echt fertig. Sie können mir auch keine guten Gründe liefern. Wahrscheinlich liegt es daran, dass er einen türkischen Migrationshintergrund hat. Das ist echt unfair. Er hat diese Diskriminierung nicht verdient. Das macht mich echt sauer, ich möchte meine eigenen Entscheidungen treffen und meine Eltern sollen da nicht reinreden.

Neue Herausforderungen zusammen meistern

Wir freuen uns, dass ihr einander gefunden habt und in einer so erfüllenden Beziehung seid. Gerade wenn man selbst so viele positive Punkte sieht, ist es ein Rückschlag, von der Familie zu hören, dass sie die Meinung nicht teilt. Das kann sich dann sehr verletzend anfühlen. Du fühlst dich außerdem in deiner Autonomie eingeschränkt, da deine Eltern deine Entscheidung anzweifeln. Es ist verständlich, dass du dir dein Recht nicht nehmen lassen möchtest, selbst zu wissen, was gut für dich ist.

Den Rückhalt in der Familie zu verlieren kann sich anfühlen, als würde einem der Boden unter den Füßen weggezogen werden. Auch wenn wir uns als Erwachsene von den Eltern lösen und eine eigene Beziehung und Familie aufbauen, bleiben sie als unsere ersten Bindungspersonen meist ein Leben lang wichtig, und wir kehren für Rat und Kontakt doch gerne zurück. Sollte deine Vermutung wahr sein und sich tatsächlich rassistische Gründe dahinter verbergen, ist die fehlende Unterstützung umso trauriger. Vielleicht hast du auch Angst davor, dass deine Eltern dir eine „Haben wir es dir nicht gesagt“-Mentalität entgegenbringen könnten, ginge in deiner Beziehung doch mal etwas schief.

Unbekannte Situationen sind für uns alle eine Herausforderung. Es kann sein, dass deine Eltern noch nicht viele Interaktionen mit Menschen mit Migrationshintergrund hatten und deshalb vorsichtig sind. Sie wollen wahrscheinlich nur das Beste für dich und haben deshalb bei eurer Beziehung Befürchtungen. Das soll natürlich keine rassistischen Einstellungen rechtfertigen, denn das finden auch wir nicht in Ordnung. Es ist lediglich ein Ansatz, um sich ein wenig in deine Eltern hineinzuversetzen.

Leider ist es häufig der Fall, dass sich Menschen aus verschiedenen sozialen Gruppen misstrauisch begegnen und Vorurteile haben. Schon 1954 hat der Psychologe Gordon Allport mit seiner ‚Contact Hypothesis‘ gezeigt, dass der Kontakt und das Kennenlernen tatsächlich die wirkungsvollsten Methoden sind, um Vorurteilen entgegen zu wirken. Dieser Kontakt sollte möglichst gleichberechtigt und positiv verlaufen. Du möchtest, dass deine Eltern ihre negativen Assoziationen mit dem Hintergrund deines Freundes verlieren oder verringern. Dann ist es also wahrscheinlich am hilfreichsten, wenn sie deinen Freund in einem möglichst positiven Setting immer wieder sehen und kennenlernen können. Vielleicht kannst du sie Schritt für Schritt langsam, mit seiner Unterstützung, an ihn heranführen. Wäre das eine Option für dich?

Und: Gab es in deiner Vergangenheit schon mal eine Situation, in der du eine Entscheidung gegen den Willen deiner Eltern getroffen hast? Wie konntet ihr es damals lösen? Vielleicht hast du auch schon einmal eine positive Erfahrung gemacht, dass sich deine Eltern von dir haben überzeugen lassen? Dann könntest du schauen, ob sich das auf deine jetzige Situation übertragen lässt.

Hast du andere Menschen, die dich in deiner Beziehung unterstützen? Vielleicht gibt es gute Freunde, mit denen du dich austauschen kannst, und die schon ähnliche Situationen durchgemacht haben. Mit drei Monaten seid ihr auch noch nicht äußerst lange zusammen. Vielleicht werden deine Eltern mit der Zeit auch besser verstehen, dass die Beziehung in keiner Hinsicht eine Bedrohung darstellt, und können die positiven Aspekte, die du siehst, nachvollziehen. Das ist ein Prozess, der von alleine passieren kann. Es bringt nicht viel, jedes Mal, wenn ihr euch seht, über das Thema zu streiten.

Lasst euch euer Glück davon nicht verderben! Es ist sicher das Beste, wenn ihr eure Zweisamkeit trotzdem genießt. Auch in so einer schwierigen Situation kann euer Vertrauen zueinander wachsen. Psychologen wie Jeffrey Simpson und Steven Rholes haben nämlich gezeigt, dass Stress sich nicht unbedingt negativ auf eine Beziehung auswirken muss, sondern das emotionale Band der Beziehung sogar enorm stärken kann. Dies ist der Fall, wenn Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung vorhanden sind. Es kommt ganz darauf an, ob die Partner durch diese stressreiche Lebensphase füreinander da sind oder nicht. Denkt daran, dass eine der wichtigsten Fragen in einer Beziehung ist: ‚Ist mein Partner/Partnerin für mich da, wenn ich ihn/sie brauche?‘.

Dein Lovie-Team

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