Wie soll ich meine Partnerin verstehen?

Wie darf ich auf meine Partnerin liebevoll eingehen, wenn sie kein Bezug auf meine Angeboten und Bedürfnissen nimmt? Ich strebe eine gemeinsame, paartherapeutische Sitzung und Arbeit an. Habe das Gefühl, ich stehe allein da, und darf die gesamte Verantwortung übernehmen. Ich fühle mich nach acht Monaten Beziehung überfordert, und suche dringend Rat. In den letzten drei Monaten bekomme ich öfters Nachrichten worin sie über ihre Traumafolgestörung und wie diese es ihr unmöglich macht, auf mich einzugehen, schreibt.

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Wie soll ich als Mann und Partner meine Partnerin, die eine Traumafolgestörung hat, verstehen und ihr Überfordert-sein und ihren Rückzug einordnen? Ist eine Beziehung mit einer offensichtlich traumatisierten Partnerin möglich? Ich bin geschieden und habe einen vierjährigen Sohn, für den ich verantwortlich bin.

Ich möchte die Beziehung gerne verbessern und fortführen, fühle mich aber zurzeit überfordert. Das Verhalten meiner Partnerin empfinde ich als belastend, und denke über eine einvernehmliche Trennung nach.

Ihr seid einander wirklich wichtig

Es freut uns zu lesen, dass du dir Hilfe suchst und deiner Partnerin angeboten hast, eine Paartherapie zu besuchen. Sie muss dir sehr viel bedeuten. Und die Zeilen, die sie schreibt, zeigen, dass du ihr auch wirklich wichtig bist. Wir lesen in deiner Nachricht auch viel Verzweiflung heraus und wir können uns vorstellen, dass dein Gedanke an Trennung irgendwie auch Halt gibt.

Wenn wir es richtig verstehen, sind Trennung und das daraus entstandene Trauma der Auslöser von einem negativen Muster, das zwischen euch beiden losgeht. Ein Muster, das dazu geführt hat, dass Gefühle der Sicherheit, Vertrauen, Geborgenheit und Ruhe in den Hintergrund geraten sind. Gefühle, die wir brauchen, um offen aufeinander zuzugehen und emotional erreichbar zu bleiben.

Deine Partnerin schreibt, dass sie traumabedingt schneller durch Gefühle wie Scham überfordert ist und als Beispiel ein Telefonat beenden muss, weil es gefühlt für sie nicht mehr geht. Du möchtest nicht, dass sie auflegt. Und du reagierst mit „Es reicht mir jetzt.“ Wie du reagierst, überfordert deine Partnerin wahrscheinlich noch mehr und beim nächsten Telefonat wird sie noch schneller auflegen. Wenn das passiert, wirst du dich noch verletzter fühlen und vielleicht noch verärgerter reagieren. Und so dreht ihr euch im Kreis. Am Ende fühlt ihr euch beide noch verletzter, trauriger und allein.

So ein negativer Tanz nennt man „eine Protestpolka“ und wichtig ist, diese zu stoppen und durch positive Muster zu ersetzen.

Das ist gar nicht einfach und werdet ihr nur mit Übung und als Team schaffen. Die gute Nachricht ist aber, dass wir durch die Arbeit von Sue Johnson und Kolleg*innen ein Fahrplan dafür haben:

  1. Wenn du dich anfängst zu ärgern und/oder sie sich anfängt, zurückzuziehen, zueinander zu sagen: „Stopp, das bringt uns jetzt nicht weiter. Wir machen jetzt Pause und versuchen, es in 30 Minuten noch mal.“
  2. Sich austauschen, wo ihr beide verletzlich seid. Was tut am meisten weh?
  3. Aus schwierigen Momenten zusammen über eure Schutzmechanismen und Kernbedürfnisse zu lernen.
  4. Erfahrungen damit zu machen, verletzlich aufeinander zuzugehen, sich einzulassen und zu verbinden.
  5. Verletzungen lernen zu vergeben.
  6. Neue Lösungen für alte Problemen finden, z. B. für Sex, Geld, Kinder, Wohnort.
  7. Zu schauen, was euch hilft, um eure Liebe lebendig zu erhalten.

Empathie ist ein wichtiger Teil positiver Muster und das ist genau, worum dich deine Partnerin bittet. Sie schreibt, dass sie mitfühlende Wörter von dir braucht: „Mensch Baby, unser Telefonat hat dich ganz schön überfordert, hm? Du hast vermutlich aufgelegt, weil es nicht mehr ging. Tut mir leid, dass du so unsicher warst und es nicht halten konntest. Ich bin froh, dass du dich mit all dem und nach so vielen Monaten immer noch mit uns und mir auseinandersetzt.“ Sie schreibt, dass es ihr helfen wird, wenn du dich in ihre Realität hineinversetzt. So wie der Bär in diesem Video

Kannst du dieses Mitgefühl aufbringen? Schaffst du es, dich in jemanden, der so tief verletzt ist, hineinzuversetzen? Vielleicht bist du selbst auch mal so tief verletzt gewesen und es hilft dir, dich eine Weile in deine Gefühle von damals zurückzuversetzen. Nimm dir Zeit dafür. Vielleicht machst du dir ein paar Notizen darüber, wie es sich anfühlt, damit es einfacher wird, wenn deine Partnerin dich darum bittet, dich emotional auf sie einzustimmen. Die Fähigkeit, Empathie zu zeigen, ist eine wichtige Voraussetzung für jede Liebesbeziehung und insbesondere für eine Beziehung mit einer traumatisierten Person.

Wenn es zu schwierig ist, kann es helfen, das Buch „Halt mich fest“ von Sue Johnson zu lesen und vielleicht zusätzlich erst allein einen Therapeuten aufzusuchen, bevor ihr mit Paartherapie anfangt.

Wir wünschen euch viel Erfolg, euren Weg zur Liebe (zurück) zu finden!

Liebe Grüße
Lovie

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