Und mein Herz sagt ja. Mein Verstand sagt nein.

Mein Freund hat Gefühle zu mir, und sexuelle Anziehungskraft zwischen uns ist noch da, aber er versucht dieses mit dem Verstand zu bekämpfen. Mir ist klar, dass es bloß Schutzmechanismen sind, um nicht in die Tiefe zu gehen. Er kommt auch mit meiner Wut nicht klar, da er eigene Emotionen stark kontrolliert.

Er ist durcheinander und hält mich momentan auf Distanz. Für mich ist es schmerzhaft, um trotzdem den Raum offenzuhalten. Natürlich ist der Impuls auch da abzuhauen oder zu versuchen wieder Nähe herzustellen. Ich fühle die emotionale Entfernung zwischen uns, aber ihn loslassen fällt mir schwer. Das Ganze dauert seit ca. drei Wochen, wir haben uns inzwischen gesehen, aber wissen nicht so genau, wie wir miteinander umgehen… Ja, vorsichtig. Und er hält mich körperlich auf Distanz, da er denkt, wenn wir wieder intim werden, kann er nicht mehr standhalten.

Ich habe zwei Beziehungen hinter mir, wo ich betrogen wurde und ich möchte mich dem  Männlichen nicht wieder verschließen. Momentan bin ich enttäuscht, und auch fühle ich Feindlichkeit ihm gegenüber und auch Traurigkeit und Angst wieder allein zu bleiben.

Und mein Herz sagt ja. Mein Verstand sagt nein. Sagt, dass wir unterschiedlich sind, usw.

Wie soll ich mich verhalten, um mir nicht zu schaden, wenn mein Freund sein Gefühl zu mir mit dem Verstand zu bekämpfen versucht?

Danke für deinen Input und Ratschlag. Vielleicht gibt es irgendwelche Podcast zu dem Thema. Danke!

Eure Entdeckungsreise

Liebe Du,

das hört sich sehr traurig an und wir können uns vorstellen, dass du Angst hast und auch irgendwie verzweifelt bist. Du liebst deinen Freund und sehnst dich nach Nähe, gleichzeitig ist der Kontakt für deinen Freund schwierig und er hält dich auf Distanz.

Du schreibst, dass es genau diese emotionale Entfernung ist, die dich triggert. Und stimmt es, dass es deine Wut ist, die ihn triggert? Wenn das der Fall ist, seid ihr nicht allein. John Gottman schreibt in sein Buch, die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe: „In 85 Prozent der Ehen ist der Mann derjenige, der mauert.“

In 85 Prozent der Ehen ist der Mann derjenige, der mauert. Das liegt nicht daran, dass es ihm an irgendetwas fehlt, sondern der Grund dafür ist unser evolutionäres Erbe. Die Anthropologie lässt vermuten, dass wir von den Hominiden abstammen, deren Leben wahrscheinlich von einer sehr strengen Geschlechtertrennung bestimmt war, da das für das Überleben in einer feindseligen Umwelt von Vorteil war. Die weiblichen Hominiden waren auf das Aufziehen der Kinder spezialisiert, die männlichen auf das gemeinsame Jagen.

Jede stillende Mutter wird bestätigen, dass die Menge der produzierten Milch davon beeinflusst wird, wie entspannt man ist. … Mit der Fähigkeit, ruhig zu bleiben, würde sie die Überlebenschancen ihres Kindes vergrößern, da sie es mit der optimalen Menge Nahrung versorgt. … Für diese frühen Jäger [= Männer], die in der Gemeinschaft jagten, war die ständige Aufmerksamkeit eine zentrale Fähigkeit zum Überleben. Deshalb überlebten und vermehrten sich verstärkt Männer, deren Adrenalin schnell einschoss, und die sich nicht so schnell wieder beruhigten.

Bis heute reagiert das männliche Herz-Kreislaufsystem stärker auf äußere Einflüsse und erholt sich langsamer von Stress als das weibliche. … Da nun ein ehelicher Streit, der einen Alarmzustand hervorruft, von Männern physisch mehr fordert, verwundert es nicht, dass sie stärker als Frauen versuchen, einen solchen Streit zu vermeiden.

John Gottman, Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe, S53-54

Also es ist sehr menschlich was ihr erlebt. Weil die Liebe so wichtig ist und wir uns gleichzeitig gegenseitig triggern, sind unsere Schutzmechanismen oft massiv und führen zu negativen, toxischen Mustern zwischen uns. Sue Johnson und Ed Tronick zeigen in diesem Film, dass Paare, die emotional eingestimmt aufeinander reagieren, den Weg aus der negativen Spirale schaffen.

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Dann bleibt natürlich die große Frage, wie wir lernen, uns bei unserem Lieblingsmenschen mit unseren verletzlichen Kernemotionen zu zeigen und emotional eingestimmt aufeinander zu reagieren. Insbesondere, wenn wir dies noch nie erlebt und nie gelernt haben.

Der erste und wichtigste Schritt ist, dass wir uns entscheiden dies wirklich zu wollen. Sue Johnson schreibt in Buch, Halt mich fest: „Und jedes Mal kommt es aufs Neue auf die eine Nanosekunde an, in der ich die Wahl habe: Vorwürfe zu erheben; zu versuchen, die Oberhand zu gewinnen; den anderen abzuweisen; Rache zu nehmen; mich zu verschließen und abzuschotten; oder aber tief durchzuatmen und mich auf die Emotionen des geliebten Menschen einzustimmen, etwas zu riskieren, die Hand auszustrecken, mich zu offenbaren und den anderen festzuhalten.“

Wenn ihr euch in eurer Liebesbeziehung Letzteres wünscht, beginnt eure Entdeckungsreise, worin ihr einander und euch selbst besser kennenlernt, lernt negative Muster zu stoppen, positive Muster zu kreieren, und damit einen sicheren Hafen vor einander zu sein. Auf diese Entdeckungsreise kann vieles hilfreich sein, z. B.:

Unsere Erfahrung und die von viele Klient*innen ist, dass diese Entdeckungsreise sich lohnt. Schön wäre, wenn ihr euch zusammen auf diese Reise begibt.

Wir wünschen euch alles Gute auf eurem Liebesabenteuer und lasst gerne von euch hören, falls Fragen auftauchen oder ihr einfach teilen wollt, wie es euch geht.

Liebe Grüße

Lovie

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